Der Einstieg und die Frage nach dem eigenen Können

Konstanze Schwiertz

Kann ich überhaupt irgendwas?

Um gleich etwas vorwegzunehmen: JA! Da bin ich mir sicher.

Damit wäre die Frage beantwortet. Wozu also noch mehr schreiben?

Weil ich heute unbedingt über diese so häufig gestellte Frage sprechen möchte.

Sprechen?

Schreiben.

Ich glaube es gibt nur wenig Ärzte, die sich in den ersten Jahren ihres Berufseinstiegs diese Frage nicht gestellt haben. Nach mindestens 6 Jahren Studium kommt man plötzlich in der Realität an. Je nachdem wie das PJ verlief, hat man schon mal Arzt spielen dürfen oder man wurde ausschließlich für Assistenzaufgaben wie Blutabnehmen, Haken halten usw. eingesetzt.

Das ganze Paket, so mit allem Drum und Dran, wartet eben erst dann auf uns, wenn wir selbst als Ärztin tätig werden.

Ärztin spielen im PJ?

Natürlich möchte ich hier provozieren. Und doch fühlte es sich für mich im Nachhinein so an.

Ich hatte größtenteils wunderbare PJ-Tertiale. Ich war sehr gut eingebunden. Ich hatte eigene Patienten, habe sie aufgenommen, Briefe geschrieben, Aufklärungen vorbereitet…

Die ersten Wochen und Monate als Ärztin waren dann doch ganz anders. Verantwortung tragen oder nicht: für mich ein riesiger Unterschied!

Die erste Zeit nach dem Berufseinstieg ist geprägt von so viel Neuem, das es zu lernen gilt. Angefangen bei den Namen der Kollegen und Pflegekräfte, über eine vielleicht ganz andere Software und Stationsabläufe, bis hin zu Medikamentendosierungen, Punktions- und Operationstechniken. Nicht zu vergessen natürlich die Umstellung des Lebensrhythmus. Und dann ist da ja auch noch das persönliche Wachstum. Ein Wachsen in die Rolle des Arztes/der Ärztin hinein.

Die Anforderungen und die Verantwortung ist groß. Die Liste der zu lernenden Dinge ist lang.

Das kann ein guter Nährboden sein für Ängste und Zweifel. Kaum verwunderlich, dass sich viele die Frage stellen „Kann ich eigentlich überhaupt irgendwas nach diesem langen Studium?“.

JA, JA, JA !!!

Hier ein paar Beispiele dafür.

Du

  • … bewegst dich ganz problemlos im medizinischen Fachjargon.
    … verstehst Dinge, die dem Rest der Gesellschaft Fragezeichen ins Gesicht zaubern.
  • … weißt wie der Körper aufgebaut ist. Auch wenn dir nicht mehr jeder Nerv einfällt, weißt du trotzdem eine Menge.
  • … kennst die Funktionen aller Organe.
  • … kennst eine Menge Medikamente und deren Einsatzgebiet. Wahrscheinlich kennst du sogar sehr viele Wirkmechanismen dazu!
  • … bist sehr diszipliniert und hast ein gutes Gedächtnis. Wie sonst hättest du das Studium erfolgreich absolviert?

UND

  • … kannst sicher MC Fragen beantworten, ohne dich von gemeinen Formulierungstricks ablenken zu lassen 😉

Lass dir das auf der Zunge zergehen! Ergänze die Liste für dich mit Fähigkeiten und Kenntnissen, die du hast. Und dann schau nochmal auf diese lange Liste und würdige dich dafür, dass du all diese besonderen Dinge kannst!

Es ist so wichtig das von Zeit zu Zeit zu machen.

Ich persönlich habe das am Anfang verpasst. Ich habe mich immer nur auf das fokussiert, was ich noch nicht kann. Auf das, was ich nicht wusste. Die Zweifel an mir und meinen Fähigkeiten wuchsen, obwohl ich eigentlich täglich dazulernte und immer „besser“ wurde. Ich bremste mich innerlich selbst aus, indem ich mich auf meine Lücken konzentrierte.

Ich wünsche mir, dass du das nicht tust!

Es geht nicht darum selbstverliebt und unkritisch zu sein. Es ist gut auf dem Schirm zu haben was du noch lernen möchtest und musst. Versuche dich regelmäßig selbst für das anzuerkennen, was du kannst. Behalte im Blick was es zu verbessern gibt und achte gleichzeitig darauf deine Zweifel nicht zu kultivieren. Denn das hilft niemandem. Im Gegenteil du schadest damit. Am meisten dir selbst!

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Konstanze Schwiertz