Ausfallhonorar für verpasste Arzttermine – Ist das möglich?

Robert Gleitz

Häufig buchen Patienten [1] Arzttermine, die sie dann nicht wahrnehmen. Das ist sowohl für die Ärzte als auch für die anderen Patienten, die dadurch bei der Terminvergabe nicht berücksichtigt werden können, ärgerlich. Dies wirft die Frage auf, ob Ärzte ein Ausfallhonorar verlangen dürfen, wenn Patienten ihre Termine kurzfristig absagen oder gar nicht erst erscheinen. Denn besonders in Facharztpraxen mit apparativer Ausstattung, die längere Zeiträume für jeden Termin reservieren, führen solche Ausfälle zu finanziellen Einbußen und organisatorischem Mehraufwand. Auch der KBV-Vorsitzende Andreas Gassen sprach sich jüngst für eine Ausfallzahlung aus, wenn Patienten unentschuldigt nicht zu ihren vereinbarten Arztterminen erscheinen [2]. Doch wie ist die rechtliche Lage?

In Deutschland gibt es bisher keine explizite gesetzliche Regelung, die Ausfallhonorare für verpasste Arzttermine erlaubt oder verbietet. Vielmehr werden unterschiedliche Auffassungen vertreten, ob und unter welchen Bedingungen Ausfallhonorare verlangt werden können. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden dafür verschiedene Begriffe verwendet: Neben Ausfallhonorar z. B. auch Strafzahlung, Strafgebühr oder Versäumnisgebühr. Es ist aber schon nicht ganz klar, ob ein Ausfallhonorar aus rechtlicher Sicht als Schadensersatz für die eingebüßte Vergütung der Behandlungsleistung angesehen werden kann. In den meisten Diskussionen wird § 615 BGB bemüht, der jedoch keinen Schadenersatzanspruch gewährt, der einen  Vermögensschaden ausgleichen soll. Vielmehr handelt es sich – wie der Jurist sagt – um einen Erfüllungsanspruch, also Vergütung für die Behandlungsleistung, obwohl der Patient nicht erschienen ist.

Von der Rechtsprechung wird noch zu häufig vertreten, dass es Patienten grundsätzlich freisteht, sich auch kurzfristig gegen eine zuvor vereinbarte Behandlung zu entscheiden [3]. Nach dieser Auffassung dient eine Terminvereinbarung lediglich der Vereinfachung der Praxisorganisation und ist daher unverbindlich. Dem Patienten stehe jederzeit die Möglichkeit zu, den vereinbarten Behandlungsvertrag gem. § 627 Abs. 1 BGB – ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist – zu kündigen, wobei bereits das Nichterscheinen als schlüssiges Handeln für die Kündigungserklärung ausreiche. Ein Ausfallhonorar kann nach dieser Auffassung nicht verlangt werden.

Nach anderer Auffassung [4] sollen unter bestimmten Voraussetzungen Ausfallhonorare verlangt werden können, wenn der Patient nicht zu dem vereinbarten Termin erscheint. Danach kann das bloße Nichterscheinen des Patienten noch nicht als Kündigung gedeutet werden. Das Nichterscheinen führt somit zum Annahmeverzug des Patienten und der Arzt kann für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung gemäß §§ 615 S.1, 630b BGB verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Gerade bei Arztpraxen, die ihre Termine gezielt auf ihre Patienten abgestimmt vergeben und der Praxisalltag einem präzisen strukturierten Zeitplan folgt (sog. Bestell- oder Terminpraxen), kann durch Nichterscheinen oder kurzfristiges Absagen ein wirtschaftlicher Verlust entstehen. Ein Ausfallhonorar weckt deshalb Begehrlichkeiten, die Voraussetzungen sind aber streng:

  1. Sie müssen Ihren Patienten bei Vereinbarung des Termins darauf hinweisen, dass Sie ihn mit einem Ausfallhonorar belegen, wenn er den Termin versäumt. Hier ist auf einen angemessenen Umfang der Aufklärung zu achten. Zum Beispiel ist über die Höhe zu belehren und darüber, dass das Ausfallhonorar nicht von der GKV erstattet wird. Diese Aufklärung kann durch eine schriftliche Vereinbarung [5] erreicht werden, die aber auch eine angemessene Frist zur Terminabsage enthalten muss, um eine Absage bei geplanter Verhinderung zu ermöglichen.
  2. Nur eine schuldhafte Säumnis des Patienten zum Termin kann einen Anspruch auf ein Ausfallhonorar begründen. Nichterscheinen aus legitimen Gründen, z. B. bei einer mobilitätsbeschränkenden Erkrankung oder bei einem Unfall auf dem Weg zur Praxis, verpflichten den Patienten nicht zur Zahlung.
  3. Die Höhe des Ausfallhonorars muss angemessen Entweder man berechnet die erwarteten Behandlungskosten. Hierbei könnte sich aber die Gefahr einer Intransparenz, rechtlich negativ auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs auswirken. Besser dürfte es sein, eine Pauschale zu bestimmen, die Ihrem durchschnittlichen Verdienst in dem Zeitraum des versäumten Termins entspricht. Bei beiden Möglichkeiten gilt jedoch: Gem. § 615 Satz 2 BGB müssen Sie den Verdienst auf das Ausfallhonorar anrechnen, den Sie durch die Behandlung anderer Patienten verdient haben oder hätten verdienen können [6]. Bei einem vollen Wartezimmer dürfte ein Ausfallhonorar daher kaum einzubringen sein.

Der Bundesgerichtshof (BGH), hat sich zur Frage der Zulässigkeit einer Ausfallgebühr bisher nur einmal in einer Entscheidung aus dem Jahr 2022 geäußert [7]. In diesem Urteil lehnte er den Anspruch auf ein Ausfallhonorar ab.

Grund dafür war die ein Tag vor der fraglichen Behandlung eingetretene Corona-Schutzverordnung des Landes, welche die entsprechende ergotherapeutische Behandlung unter ein gesetzliches Verbot stellte. Da folglich der behandelnde Ergotherapeut nicht imstande war, seine Leistung zu erbringen, geriet die Patientin nicht in Annahmeverzug durch das kurzfristige Absagen des Termins. Denn gemäß § 615 Satz 1 BGB kann der Behandelnde für die nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung nur verlangen, wenn der Patient mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Ein Anspruch des Behandelnden aus §§ 615 S. 1, 630a Abs. 1 BGB bestand demnach nicht. Der Patient konnte sich also auf einen entschuldigenden Umstand berufen.

Offen bleibt, inwieweit die vom BGH im Corona-Kontext getroffene Entscheidung auf andere Sachverhalte übertragbar ist. Einen Lichtblick für die Leistungserbringer im Gesundheitswesen sehen wir darin, dass selbst der Bundesgerichtshof betont, es seien immer die Umstände des Einzelfalls dafür maßgeblich, ob eine Terminvereinbarung bereits verbindlich sei und demnach ein Anspruch auf eine Ausfallzahlung bestehen könnte.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Ärzte nach der aktuellen Rechtsprechung nur schwer Ausfallzahlungen von Patienten verlangen können. Das Problem ungenutzter Kapazitäten durch nicht wahrgenommene Termine besteht weiterhin. Wer die Kosten dafür tragen soll, konnte bislang rechtlich noch nicht abschließend geklärt werden.

In erster Linie ist der Gesetzgeber gefragt: Nur durch die Formulierung einer passenden Anspruchsgrundlage – ob im Bürgerlichen Gesetzbuch oder im ärztlichen Gebührenrecht – kann eine faire Lösung gefunden werden. Wie die Politik damit umgeht, bleibt abzuwarten. Der Ball jedenfalls liegt im Spielfeld des Gesetzgebers.

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Robert Gleitz

Hier ist auf einen angemessenen Umfang der
Aufklärung zu achten.

[1] Das aus Gründen der Übersichtlichkeit gewählte generische Maskulinum bezieht sich im Folgenden selbstverständlich auf sämtliche Geschlechteridentitäten.

[2] Tagesschau, Kassenärzte für Strafgebühren bei ungenutzten Arztterminen, am 10.09.2024, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/strafzahlung-arzttermin-100.html.

[3] LG München, NJW 1984, 671; AG Nettetal, Urteil v. 12.09.2006, Az. 17 C 71/93; AG Calw, NJW 1994, 3015; AG Bremen, RDG 2012, 186.

[4] Katzenmeier/Castendiek: Kündigungsmöglichkeit und Ausfallhonorare in der Bestellpraxis, MedR 2023, 37, 37f.

[5] So der Fall in: BGH, Urteil vom 12.05.2022, Az. III ZR 78/21.

[6] OLG Stuttgart, Urteil v. 17.04.2000, Az. 1 U 154/06.

[7] BGH, Urteil vom 12.05.2022, Az. III ZR 78/21.