Stillen im Job. Oder: wie öffentlich ist Kindererziehung?

Claudia Ahl

Dieses Thema ist sehr umfassend. Erstmal könnte man ja denken, naja, muss man eben absprechen und dann wird es funktionieren. So ganz einfach ist es leider nicht.

Versuchen wir mal das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten: zuerst einmal die Frage:

Wie öffentlich wollen wir die Kindererziehung und das Kinderkriegen gesellschaftlich haben? Zuerst ist es Privatsache. Ob sich Eltern entscheiden, ein Kind zu bekommen oder nicht ist keine berufliche Entscheidung, hat aber natürlich Auswirkungen darauf.

Gesellschaftlich bzw. organisatorisch gesehen ist unsere Gesellschaft und die Medizin bislang noch mehr auf Trennung von Beruf und Privatleben als auch Gemeinschaft und Synergie ausgelegt. Es geht um Effizienz, Leistung und Ziele. Gerade Babies haben ihren eigenen Rhythmus und sind genau das Gegenteil davon.

Die Frage ist auch, wie beeinflusst ein Kind den Praxisalltag? Wie reagieren die Patienten z. B. darauf?  Ist es für sie ok, wenn die Mutter in der Behandlung unterbrechen muss, weil das Kind schreit?

Wie geht es der Mutter damit, sowohl physisch durch das Stillen als auch innerlich subtil (ist etwas? Geht es meinem Kind gut?) abgelenkt zu sein? Kann sie sich dann noch vollständig auf die Arbeit konzentrieren?

Gibt es evtl. eine Kinderbetreuung? Wird dann die Praxis zu einer besseren „Kinderpflegestation“?

Dürfen das dann alle? Was macht es mit dem Team? Was, wenn einer dagegen ist?

Letztlich ist diese Frage erneut eine Sache von Kommunikation und Reife der Praxis. Es kommt darauf an, wie gut die Kommunikation funktioniert und ob die Leitung es schafft, klare Rahmenbedingungen für die Mutter zu schaffen, damit ungestörte Abläufe für alle möglich sind.

Entscheidend dabei ist auch, in welcher Rolle die stillende Mutter ist.

Ist sie die Chefin gibt es evtl. mehr Handlungsspielraum als angestellte Arzthelferin. Das ergibt sich schon daraus, dass die Chefin mehr Planungsfreiheiten hat und die Helferin i. d. R. enger im Team und in der Zuarbeit eingespannt ist.

Das Thema ist, ob die Anwesenheit der stillenden Mutter evtl. einen so großen Mehrwert hat, dass die daraus folgenden organisatorischen Belange eine untergeordnete Rolle spielen.

Das kann z. B. dann der Fall sein, wenn diese Person so großes Spezialwissen hat, das anderweitig nicht gut aufzufangen ist.

Fazit ist, dass es viele Fragen gibt, die in Ruhe geklärt sein wollen und einen Kommunikations- und Wertediskurs in der Praxis auslösen: wie wollen wir als Team sein? Wie wollen wir arbeiten und leben?

Ein sehr spannender Dialog! Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen und den Dialog mit Ihnen.

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