Burnout bei Ärzten – Gefahr erkannt!

Wie der Alltag trotzdem motiviert und selbstbestimmt funktioniert

Burnout ist nicht „chic“, sondern eine ernstzunehmende Erkrankung. Und in meiner Kundschaft beobachte ich wachsende Unzufriedenheit, Angst, Grenzen einzugestehen und totale Erschöpfung. Mein WARUM für meine Arbeit ist, Menschen in ihr Potenzial zu bringen, so dass sie das Leben leben können, das sie sich wünschen. Wenn Burnout-Anzeichen sich vermehren, ist klar, dass etwas schief läuft. Und um aus der Spirale herauszukommen ist wichtig, mehr darüber zu verstehen und dann die Lösung zu entwickeln. In diesem Blog-Artikel geht es um ein systemisches Verständnis, Auslöser und Lösungsansätze.

 

1. Integrale Betrachtung auf den 4 Quadranten

„Burnout passiert nicht einfach so. Die Ursachen sind vielfältig und sind auf vielen Ebenen zu suchen. Im Integralen Coaching arbeite ich gerne mit dem Quadrantenmodell. Das Modell unterscheidet vier Sichtweisen auf das Thema:

Links oben befindet sich der Individuell/Innen-Quadrant der sich mit unseren inneren Befindlichkeiten, Emotionen, Glaubenssätzen usw. befasst. Also alles das, was normalerweise im Coaching Thema ist.

Links unten finden wir den Individuell/außen-Quadrant, der sich mit der sogenannten Kultur beschäftigt. Also, wie kommunizieren wir miteinander, wie gehen wir miteinander um, welches Verständnis haben wir formell oder informell von dem, was z. B. im Team geschieht oder auch im Alltag der Praxis.

Die Informationen, wie sich eine Person fühlt oder wie das „Innenverhältnis“ zwischen Personen wirklich ist, erfahren wir nur durch den Dialog mit ihr – deswegen „Innen-Quadranten“.

Demgegenüber befinden sich auf der rechten Seite die Außen-Quadranten, also  alles was wir messen und beobachten können.

Rechts oben haben wir also das beobachtbare Verhalten einer Person, alles was gemessen und gewogen werden kann, z. B. Verhalten, Soziale Skills, EKG, EEG, usw.

Rechts unten geht es um die systemischen und funktionalen Abläufe, in welcher Kultur im Außen findet das Geschehen statt. Für Praxen heißt das z. B. an welchem Standort befinden sie sich, wie ist di Infrastruktur drumherum, welches Patientenklientel kommt in die Praxis.

Und natürlich interagieren alle Quadranten miteinander. Mit anderen Worten: Innen- und Außenbedingungen beeinflussen einander. Für die Ärztin in der Praxis kann das – wie das zur Zeit mit den erschwerten Corona-Hygiene-Maßnahmen der Fall ist – eine erhöhte Belastung und erhöhter Arbeitsaufwand bedeuten.

Bei meinen Kunden – die häufig vor Corona – schon zeitlich sehr eng getaktet waren und sich mit viel Mühe ein fragiles Gleichgewicht zwischen Praxis und Privatleben erarbeitet haben, erlebe ich vermehrte Klagen über Stress, Unzufriedenheit und sozialen Rückzug, alles Warnzeichen für einen drohenden Burnout.

Sie verlieren das Gefühl, noch Herr der Lage zu sein und haben stattdessen immer mehr das Gefühl den Umständen ausgeliefert zu sein – und um gesund zu werden oder zu bleiben ist ein Kohärenzgefühl notwendig, dass ich also verstehe, was passiert, dass ich den Sinn dahinter sehe, ich glaube, dass es machbar und handhabbar ist.

Aber sowohl die gesellschaftlichen Bedingungen – Ansprüche an den Arztberuf, Bild in den Medien und die Realität – als auch die persönlichen Voraussetzungen – Stress als Preis wird hingenommen um Arzt zu sein und die Akzeptanz über die eigenen Grenzen hinauszugehen – sind Faktoren, die einen Burnout begünstigen.

D. h., Ursachen sind in der Interaktion der 4 Quadranten sowohl im persönlichen Bereich als auch im gesellschaftlich- systemischen Kontext zu suchen.

2. Was bedeutet das jetzt konkret? Wie zeigt sich das im Alltag

Eigentlich gibt es in den meisten Arztpraxen „Klassiker“, die Stress im System oder Burnout vermuten lassen:

  1. Alles selbst machen
  2. Perfektionismus
  3. Unklare Strukturen und Anweisungen
  4. Fehlendes Praxismanagement als Resultat von fehlendem Selbstmanagement
  5. Image, sich nicht in die Karten schauen lassen
  6. Funktionieren, abgeschnitten von Emotion und Körperbewusstsein
  7. Unsicher im Auftreten, distanziertes Verhalten gegenüber Patienten und Mitarbeitern
  8. Abgespalten und unehrlich mit eigenem und fremdem Leid
  9. Keine Hilfe annehmen

Finden Sie sich darin wieder? Das sind die Erscheinungsformen, die im Verhaltenquadranten rechts oben zu beobachten sind. Auch wenn die Beteiligten – Mitarbeiterinnen und Ärzt/innnen –  glauben, sie können den vorhandenen Stress verstecken, wird das jedoch sehr wohl von Patienten wahrgenommen. Vergessen Sie nicht, Körpersprache macht mehr als 85% unserer Kommunikation aus. Und ob wir wollen oder nicht- wir strahlen das aus. Und Ihr Stress stresst Mitarbeiter und Patienten und setzt einen Teufelskreis in Gang, der schwer zu stoppen ist.

Symptome und Phasen des Burnout

  • Phase 1 zeichnet sich durch erhöhte Reizbarkeit aus, alltägliche Dinge nerven, das Aggressions- und Schlechte-Laune-Niveau steigt. Hier versucht man allerdings noch mit mehr Aktivität dagegen anzukommen, häufig wird auch mit Materiellem kompensiert
  • Phase 2 zeichnet sich durch Flucht und Angst aus. Die Ängste steigen zu versagen oder Fehler zu machen. Erhöhter Stress führt zu Phlegmatismus und der wiederum führt zu Fehlern, die lebensbedrohlich sein können. Gefühle von Bitterkeit, Sinnlosigkeit und grenzenloser Erschöpfung nehmen zu. Der Betroffene sieht wenig Ausweg, häufig flüchtet er in Alkohol, Medikamente und andere Süchte. Er fühlt sich überfordert und nicht mehr belastbar. Die Lösung wird immer noch im Außen gesucht.
  • Phase 3 zeichnet sich durch Isolation und Lähmung aus. Er meidet Kontakte, allgemeines Desinteresse ist Standard, Hobbies werden aufgegeben. Er fühlt sich gelähmt, einsam, gleichgültig und hilflos.

Problematisch ist, dass Ärzte sehr spät erkennen, dass sie Hilfe benötigen, da sie schon durch das Studium konditioniert worden sind, dass Stress und kurze Nächte zum Alltag gehören. Sie haben verlernt auf ihre eigenen Grenzen und ihren Körper zu hören. Wenn Menschen aber nicht mehr  in ihrem Körper präsent sind, verlieren sie den Zugang zu ihren Gefühlen und Bedürfnissen. Sie beginnen zu funktionieren und können so auch die Bedürfnisse und Nöte ihrer Patient/innen unzureichend wahrnehmen. Dies ist aber genau das, was zum momentanen Zeitpunkt am allermeisten – gerade im medizinischen Bereich -notwendig ist: Menschlichkeit und Zuwendung.

3. Lösungsansätze

Wie kommt man raus aus der Abwärtsspirale?  – 5 Strategien

a. Achtsamkeit mit Gefühlen, Themen und Grenzen (links oben) 

Es ist simpel aber nicht einfach: wahrnehmen und für wahr nehmen was ist. Unsere Biografie, Glaubenssätze und inneren Antreiber machen uns zu dem, was wir heute sind. Häufig bekommt unser Computer häufiger Updates als unsere Seele. Es lohnt sich also, nach innen zu spüren und auf die Forschungsreise zu gehen.

Können Sie sich eingestehen, dass es persönliche und berufliche Grenzen gibt, dass Krankheit manchmal nicht kontrollierbar ist? Was treibt Sie an? Was motiviert Sie? Was hält Sie zurück? Was ist Ihre wahre Leidenschaft? Was würden Sie tun, wenn Sie noch einmal starten würden?

b. Systeme verstehen und sich mit Dynamik auseinandersetzen (links unten)

Systeme und Organisationen haben eine eigene Grammatik. Führungsstil, Rollen, Aufgaben und Ergebnisse hängen voneinander ab.

Wie sind Sie an die Stelle gekommen, an der sie heute sind? Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter eingestellt? Wie bekommen Sie Familie und Praxis unter einen Hut?

c. Gesellschaftliche Zusammenhänge reflektieren (links unten und rechts unten)

Die Rolle als Arzt hat immer noch relativ hohes Ansehen in der Gesellschaft. Patienten kommen jedoch heute mit dem Wissen von Dr. Google in Ihre Praxis und hinterfragen Sie als ärztliche Autorität.

Worauf bauen Sie Ihre Identität? Wie definieren Sie Ihre Rolle? Sind Sie noch die „Frau im weißen Kittel“? oder sind Sie vielmehr Coach im Gesundfindungsprozess? Machen Sie Ihre berufliche Identität von Ihrem persönlichen Selbstwert abhängig? (li unten und re unten)

d. Kompetenzen erweitern zum Thema Führung, Kommunikation und (Selbst-) Management

Sie Sind Fachexpertin für den medizinischen Bereich. Im heutigen Praxisalltag werden jedoch zusätzlich Kompetenzen im Bereich Führung und Kommunikation erwartet. Streng genommen ist das eine eigene Job-Beschreibung. Als Arzt haben Sie die Aufgabe die Quadratur des Kreises hinzubekommen und sowohl die Praxis als Unternehmen aufzubauen, wo jeder seine Rolle und seine Aufgabe hat und die Patienten kompetent behandelt werden als auch die Mitarbeiter einzustellen, zu führen und zu entwickeln. Und nebenbei haben Sie ja auch noch Ihr Leben (hoffentlich 😉 )

Wer kann Ihnen kompetent zur Seite stehen? Wer kann sie im Prozess als Mentor oder Coach begleiten? Welche Ressourcen brauchen Sie für einen effektiven und effizienten Ablauf?

e. Strukturen in der Praxis aufbauen

Je transparenter und skalierbarer die Abläufe für Mitarbeiterinnen und Patientinnen sind, desto leichter läuft der Alltag.

Haben Sie die richtigen Mitarbeiter? Können sie was sie sollen? Sind Ihre Abläufe dokumentiert und nachvollziehbar?

Zum Abschluss möchte ich Ihnen zwei schnell umsetzbare –  wenig zeitintensive Übungen mit auf den Weg geben, mit denen sie mehr Achtsamkeit und Gelassenheit in Ihren Alltag bringen:

  • Führen Sie Dankbarkeitstagebuch: lenken sie morgens und/oder abends ihre Aufmerksamkeit auf das, worauf Sie sich freuen bzw. das, was gut gelungen ist (7- 10 Punkte täglich). Die Energie folgt der Aufmerksamkeit führen Sie das drei Wochen am Stück durch und überprüfen Sie wie Sie sich fühlen
  • Installieren Sie auf Ihrem Handy oder Computer eine Achtsamkeits-App, die sie stündlich einstellen. Wenn der Ton erklingt, atmen sie dreimal tief durch und trinken ein halbes Glas Wasser.

Achtsamkeit und Präsenz sind meiner Erfahrung nach die Schlüssel, die zu mehr Zufriedenheit und Erfolg im Praxisalltag führen.

Nehmen Sie sich ernst und holen Sie sich Unterstützung. Ich freue mich, wenn ich Sie auf diesem Weg begleiten darf.

Ihre Netzwerk Expertin Claudia Ahl

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