Ambulantisierung im Krankenhauswesen

Robert Gleitz

Die Ambulantisierung im Krankenhauswesen stellt eine der zentralen Herausforderungen und zugleich eine wesentliche Reformbestrebung im Gesundheitssektor unserer Zeit dar. Unter dem Druck steigender Ausgaben, begrenzter stationärer Kapazitäten und sich wandelnder medizinischer Möglichkeiten gewinnt die Verlagerung stationärer Behandlungen in den ambulanten Bereich zunehmend an Bedeutung. Die Vorteile davon sind offensichtlich. Vor allem profitieren aber die Kostenträger: Zahlreiche Krankenhausbehandlungen lassen sich im ambulanten Setting kosteneffizienter, zügiger und mit geringerem Ressourcenaufwand durchführen. Ob die medizinische Versorgungsqualität dabei auf hohem Niveau gehalten werden kann, ist umstritten.

Doch was genau bedeutet eigentlich Ambulantisierung? Die Ambulantisierung im Krankenhauswesen beschreibt den Wandel hin zu weniger aufwändigen, ambulanten Versorgungsformen, bei denen immer mehr medizinische Leistungen außerhalb der klassischen stationären Versorgung erbracht werden. Ziel ist es, die Kosten im Gesundheitssystem zu senken und gleichzeitig den Fachkräftemangel zu entschärfen, indem der Personalaufwand in den Kliniken reduziert wird.

Der Startschuss für eine zunehmende Ambulantisierung wurde bereits 2019 gelegt, als der Gesetzgeber die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) damit beauftragte, das ambulante Operieren nach § 115b SGB V weiterzuentwickeln [1]. Dabei sollten vor allem finanzielle und strukturelle Anreize geschaffen werden, um stationäre Operationen zu reduzieren und den ambulanten Bereich auszubauen. Seitdem wurde der Katalog ambulant durchführbarer Operationen (AOP-Katalog), der zusammen mit dem AOP-Vertrag die Grundlage für das Abrechnen ambulanter Operationen bildet, um 171 operative Prozeduren (OPS) erweitert [2].

Ein entscheidender Faktor für die Umsetzung der Ambulantisierung ist die Frage, welche medizinischen Leistungen überhaupt ambulant erbracht werden können. Eine Einschätzung dazu liefert das Gutachten nach § 115b Abs. 1a SGB V des IGES-Instituts [3], welches von der KBV, der DKG und dem GKV-Spitzenverband in Auftrag gegeben wurde. Dieses IGES-Gutachten aus dem Frühjahr 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass noch erheblich mehr zusätzliche Leistungen ambulant erbracht werden könnten, als das gegenwärtig der Fall ist [4]. Dadurch könnte sich die Anzahl der derzeit möglichen ambulanten Leistungen von Kliniken nahezu verdoppeln. Dies zeigt grundsätzlich ein erhebliches Potenzial zur Entlastung des stationären Bereichs. Dennoch umfasst der AOP-Katalog bislang nur einen Bruchteil der laut IGES-Gutachten potenziell ambulant durchführbaren Eingriffe [5]. Für die vertragsärztliche Versorgung bietet sich eine Chance, wenn sie ambulantes Operieren anbietet – für Krankenhäuser hingegen steigt der Druck zur Umstrukturierung.

Möchte eine Klinik Leistungen aus dem AOP-Katalog stationär anbieten, muss sie die medizinische Notwendigkeit dafür anhand sogenannter „Kontextfaktoren“ nachweisen [6]. Ist kein Kontextfaktor erfüllt, kann der betreffende Behandlungsfall nur ambulant in Rechnung gestellt werden, was angesichts des Ressourcenverbrauchs bei einer stationären Krankenhausbehandlung mit Sicherheit ein Verlustgeschäft wäre. Denn eine DKI-Studie [7] aus dem Jahr 2022 zeigt, dass die Vergütung im ambulanten Bereich im Durchschnitt nur etwa zwei Drittel der Kosten einer stationären Behandlung deckt. Anders ausgedrückt: Werden ambulante Leistungen in einem stationären Umfeld erbracht, entstehen den Krankenhäusern erhebliche finanzielle Verluste. Kliniken sind daher dringend auf funktionierende ambulante Strukturen angewiesen, um mit der Erweiterung des AOP-Katalogs Schritt zu halten und überhaupt bestehen zu können.

Ein Reformansatz, der als Mittel zur Finanzierung dienen und die Ambulantisierung im Krankenhauswesen unterstützen soll, ist die Einführung der sogenannten Hybrid-DRG. Diese soll den rein stationären DRG-Katalog für die ambulante Abrechnung öffnen und eine sektorenübergreifende Vergütung schaffen [8]. Dabei werden medizinische Leistungen, die sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden können, einheitlich vergütet, und zwar unabhängig davon, ob der Patient im Haus tatsächlich ambulant oder stationär behandelt wurde. Die Vergütung der Hybrid-DRG ergibt sich aus einer Mischkalkulation von stationären und ambulanten Kostendaten und vergütet jede ärztliche Leistung sowie die Sachkosten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der OP stehen. Ein Problem besteht jedoch darin, dass die Hybrid-DRG nur einmal für alle an der OP beteiligten Leistungserbringer gemeinsam abgerechnet werden darf. Das bedeutet, dass sich Operateur und Anästhesist die hybride Vergütung gegebenenfalls teilen müssen.

Schließlich stellt sich die Frage, inwiefern die erst kürzlich in Kraft getretene Krankenhausreform die Entwicklung der Ambulantisierung im Krankenhauswesen beeinflusst. Ein zentrales Element der Krankenhausreform besteht darin, dass ein erheblicher Anteil der Krankenhausfinanzierung nicht mehr anhand der tatsächlich erbrachten Behandlungsfälle, sondern durch sogenannte Vorhaltepauschalen erfolgen soll [9]. Diese Pauschalen bemessen sich an der Anzahl der stationären Fälle aus den vergangenen Jahren [10], wodurch eine direkte Kopplung der finanziellen Mittel an die Auslastung der Krankenhausbetten vergangener Jahre entsteht. Diese Ausgestaltung lässt jedoch erhebliche Spannungen zu ambulanten Behandlungen entstehen: Kliniken, die bereits frühzeitig im Sinne der Ambulantisierung umstrukturiert haben, riskieren Einbußen bei ihrer künftigen Vorhaltevergütung und sehen sich dadurch Nachteilen gegenüber, die dadurch verursacht werden, dass sie der Ambulantisierung einst zugewandt gegenüberstanden. Das ist nur ein Beispiel dafür, warum diese Reform nicht nur zu einem Mangel an positiven Anreizen zur Förderung der Ambulantisierung führt. Sie setzt vielmehr einen ökonomischen Anreiz, stationäre Behandlungen beizubehalten. Das gesundheitspolitische Ziel, die zunehmende Verlagerung medizinischer Leistungen in den ambulanten Sektor zu fördern und dort die besonderen Mittel des Krankenhauses zu nutzen, wird mit derartigem Druck auf die stationäre Leistungserbringung wohl kaum umzusetzen sein.

Die Ambulantisierung im Krankenhauswesen kann man als eine notwendige Entwicklung sehen, um den Herausforderungen steigender Gesundheitskosten und eines zunehmenden Fachkräftemangels zu begegnen. Die bisherigen Reformansätze, insbesondere die Erweiterung des AOP-Katalogs und die Einführung der Hybrid-DRG, bieten zwar Ansätze zur Förderung ambulanter Strukturen, bleiben jedoch in ihrer praktischen Umsetzung problematisch. Damit lässt sich so gut wie gar nichts finanzieren.

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Robert Gleitz

[1] KBV, Ambulantes Operieren, 25.09.2024, abrufbar unter: https://www.kbv.de/html/ambulantes_operieren.php (zuletzt am 11.02.2025).

[2] GKV-Spitzenverband, Pressemitteilung vom 20.12.2023: Ambulantisierungsreform: Nächster Schritt ist geschafft, abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/pressemitteilungen_und_statements/pressemitteilung_1727488.jsp?utm_source=chatgpt.com (zuletzt am 11.02.2025).

[3] IGES, Gutachten nach § 115b Abs. 1a SGB V, März 2022, Berlin, abrufbar unter: https://www.kbv.de/media/sp/IGES_AOP_Gutachten_032022.pdf (zuletzt am 11.02.2025).

[4] IGES. Das Wissensunternehmen, Ambulantisierung: Gutachten nennt 2.500 neue AOP – Leistungen, abrufbar unter: https://www.iges.com/kunden/gesundheit/forschungsergebnisse/2022/erweiterter-aop-katalog/index_ger.html (zuletzt am 11.02.2025).

[5] Aerzteblatt.de, Weitere Ambulantisierung vorantreiben, 18.04.2024, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/150733/Weitere-Ambulantisierung-vorantreiben (zuletzt am 11.02.2025).

[6] DKG, zur Veröffentlichung des AOP-Katalogs: AOP-Katalog nur erster Schritt zur Ambulantisierung, 01.04.2022, abrufbar unter: https://www.dkgev.de/dkg/presse/details/aop-katalog-nur-erster-schritt-zur-ambulantisierung/ (zuletzt am 11.02.2025).

[7] DKI, DKG zum DKI-Bericht „Ambulantes Operieren im Krankenhaus“, 30.11.2022, abrufbar unter https://www.dki.de/pressemitteilung/dkg-zum-dki-bericht-ambulantes-operieren-im-krankenhaus?utm_source=chatgpt.com (zuletzt am 11.02.2025).

[8] KBV, Hybrid-DRG, Spezielle sektorengleiche Vergütung, 25.09.2024, abrufbar unter: https://www.kbv.de/html/71919.php (zuletzt am 11.02.2025).

[9] Deutscher Bundestag, Große Krankenhausreform mit Vorhaltepauschalen, 19.06.2024, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1009104?utm_source=chatgpt.com (zuletzt am 11.02.2025).

[10] consus.health, Die Krankenhausreform und ihre Auswirkungen. Serie zur Krankenhausreform – Teil 3: Vorhaltevergütung. Rolle rückwärts für die Krankenhausfinanzierung?, 08.2024, abrufbar unter: https://consus.health/blog/krankenhausreform/vorhalteverguetung-rolle-rueckwaerts-fuer-die-krankenhausfinanzierung/ (zuletzt am 11.02.2025).