In der Medizin?
NEIN!
Das ist auf jeden Fall der erste Impuls für die Antwort auf eine Frage wie diese, oder?
Ich frage mich, ob es wirklich so einfach ist? So eindeutig? Gibt es nur diese Möglichkeit? Geht das überhaupt?
Das Stichwort im heutigen Artikel lautet Fehlerkultur. Also die Art wie in einem Team mit Fehlern umgegangen wird.
Wie sieht der Alltag noch immer in vielen Kliniken aus?
Fehler werden verschwiegen. Man hofft darauf, dass sie von anderen nicht entdeckt werden, weil man Angst vor Bestrafung, Missbilligung und sozialer Ausgrenzung hat. Dringt der Fehler dann doch zu anderen Kollegen und womöglich bis zum Chef durch, dann gute Nacht, Marie. Von der Standpauke vor dem ganzen Team bis hin zu angedrohten Konsequenzen … das ganze Repertoire kann vertreten sein!
Was ist die Folge diesen Umgangs?
Die Angst davor Fehler zu machen steigt und allein dieses höhere Anspannungslevel kann zu mehr Fehlern führen. Die Motivation wächst vielleicht kurzfristig, aber auf Dauer ist Angst und Druck kein gutes Mittel um diese hochzuhalten.
Welches Bild entsteht durch diese Art von Fehlerkultur?
Es ist das Bild eines fehlerfreien Arztes, der immer die richtigen Entscheidungen trifft, immer alles weiß und das perfekte Gespür für jede Situation hat.
Es suggeriert etwas, das es nicht gibt. Und trotzdem versuchen viele Ärzte in einem solchen System genau diesem idealisierten Bild nachzueifern. Das Problem daran ist, dass man dann immer wieder scheitert. Denn es ist nicht möglich keine Fehler zu machen. Fehler zu machen ist menschlich. Es gehört zum Leben dazu. Auch wenn wir uns noch so stark bemühen fehlerfrei zu leben und uns noch so stark wünschen dieses Ideal erreichen zu können.
Natürlich ist die Medizin bei diesem Thema etwas Besonderes. Passieren Fehler, dann geht es nicht nur um einen eventuellen finanziellen Verlust, um eine schlechte Außendarstellung der Abteilung, um soziale Ausgrenzung oder die Schelte vom Chef. Es geht um das Patientenwohl. Um menschliches Leben.
Es ist verständlich, dass sich jeder Arzt wünscht keine Fehler zu machen um keinen Patienten zu schaden. Es ist schrecklich, wenn Fehler passieren und ein Mensch dadurch zu Schaden kommt, sein Leid verlängert oder verstärkt wird. Könnten wir es, würden wir jeden einzelnen rückgängig machen. Und trotzdem bleibt es dabei, dass wir das niemals schaffen werden. Diese Einsicht kann sehr bitter und gleichzeitig sehr heilsam sein.
Wir sollten es akzeptieren und täglich aufs Neue unser Bestes für die Patienten geben! Und wir sollten Fehler begrüßen. Unsere eigenen und die der Kollegen.
Wie bitte?
Ja, du hast schon richtig gelesen. Wir sollten Fehler willkommen heißen um sie als unsere besten Lehrmeister zu nutzen.
- Das heißt nicht, dass wir uns über Leid oder Schaden eines Patienten freuen.
- Das heißt auch nicht, dass der Schlendrian einkehrt und sich keiner mehr bemühen soll.
- Das heißt auch nicht, dass Fehler ignoriert werden sollen.
Wirklich sinnvoll, effektiv und teamstärkend ist die Fehlerkultur, wenn Fehler gemeinsam aufgearbeitet werden. Dabei sollte derjenige, dem der Fehler passierte nicht auf der Anklagebank sitzen. Es ist bereichernd, wenn im Team analysiert wird, wie es zu diesem Fehler kam, wie man ihn in Zukunft verhindern kann und was alle daraus lernen können. Auf diesem Weg können alle von einem Fehler profitieren und es gibt die Chance, dass dieser Fehler nicht auch noch anderen Kollegen geschieht.
Was denkst du über dieses Thema? Wie fühlt sich der Gedanke für dich an offen über Fehler sprechen zu können? Welche Fehlerkultur erlebst du?
Ihre Netzwerk Expertin
Konstanze Schwiertz